Rainer Stötzel
Netphen
von der Steinzeit bis ins 20. Jahrhundert 

Teil 1

Ausarbeitung im Rahmen des Studium der Architektur;
 Stadt- und Regionalplanung an der Uni-GH-Siegen
 im Fach Stadt- und Regionalentwicklung

Inhaltsverzeichnis
      Teil 1
Teil 2  (bitte anklicken)
1. Einleitung 

2.  Örtliche und naturräumliche Gegebenheiten 
     2.1  Lage im Raum 
     2.2  Verkehrsanbindung 
     2.3  Größe des Gemeindegebietes 
     2.4  Relief und Gewässer 
     2.5  Geologie und Boden 
     2.6  Klima 

3.  Die geschichtliche Entwicklung Netphens 
     3.1 Von der Steinzeit zur Eisenzeit 

4.  Erste urkundliche Erwähnungen 
     4.1  Staatlicher Siedlungsausbau 
     4.2  Die erste Erwähnung des Dorfes
             Netphen 

5.  Das Christentum 
     5.1  Weltliche und geistliche
             Grundherrschaften 
     5.2  Die Einführung des Christentumes; 
            die Urpfarrei  Netphen 

6.  Das Netpherland
     in der Zeit vom  16. bis 19. Jh.  

7.  Die Kirchen in Netphen 
     7.1  Die Peterskapelle in Niedernetphen 
     7.2  Die Ev. Martinikirche 
     7.3  Die kath. Kirche, St. Peter- und Paul 

 

8.  Zeugen der Geschichte 
     8.1  Die Alte Burg bei Obernau 
     8.2  Die Wallburganlage bei Niedernetphen 
           "Burggraben" 
     8.3  Das Wasserschloß Hainchen 
9.  Die Industrialisierung des Netpherlandes 
     9.1  Die Umgestaltung eines Gebietes 
     9.2  Die Reckhämmer 
     9.3  Hütten und Hämmer im Netpherland 
     9.4  Die Köhlerei 
10.  Das Netpherländer Haus 
11.  Alte Straßen und Wege 
12.  Kriegswirren im Netpherland 
13.  Soziologische Betrachtung zum 
       Netpherland der  letzten 70 Jahre 
14.  Die Bevölkerungsentw.in der Statistik 
15.  Entwicklung des Bildungswesens 
16.  Die Verkehrsanbindung des
       Gemeindegebietes
17. Prognose für eine zukünftige Entwicklung 
     17.1   Die Zukunft von Verwaltung und
                Organisation 
     17.2   Siedlungserweiterungen für die
                Zukunft 
     17.3   Perspektiven für die Wirtschaft 
     17.4   Ausbau der Verkehrssysteme 
     17.5   Entwicklung von Freizeit, Kultur
                und  Sport 
18.  Siedlungsentwicklung 
19.  Schlußbetrachtung 
20.  Fotos - Veränderungen
21.  Literaturverzeichnis 

1. Einleitung

Von Alters her ist das Gebiet um Netphen Siedlungsschwerpunkt im Netpherland. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der jahrhundertewährenden Entwicklung der Ortschaften Nieder- und Obernetphen, sowie einer geschichtlichen Betrachtung des gesamten Netpherlandes.
Schwerpunkt meiner Untersuchung, die durch Karten vervollständigt wird, soll die wirtschaftliche, städtebauliche und geschichtliche Entwicklung des Netpherlandes darstellen.
Auf diesem Wege möchte ich mich bei allen, insbesondere den Bediensteten der Gemeindeverwaltung Netphen und des Kreis- und Katasteramtes Siegen bedanken, die mir bei der Beschaffung von Unterlagen und Katasterplänen behilflich waren. 


2. Örtliche und naturräumliche Gegebenheiten
2.1 Lage im Raum

Netphen liegt im östlichen Bereich des Kreises Siegen. Im Umkreis von 10 km Luftlinie, gemessen vom Rathaus Netphen, liegen die Ortsmitten von Hilchenbach, Kreuztal, Weidenau und Siegen.
In einem Umkreis von 15 km liegen die Ortsmitten von Eiserfeld, Niederschelden, Wilnsdorf und Erndtebrück.
 

2.2 Verkehrsanbindung

Eine Bahnlinie führt von Weidenau über Deuz nach Werthenbach.  Der Personenverkehr wurde auf Busse verlegt, so dass die Strecke heute nur noch für den Güterverkehr aufrecht erhalten wird.
Die B 62 verbindet Netphen mit Weidenau und Erndtebrück.  Die L 719 führt über Hainchen ins benachbarte Hessen.
 

2.3 Größe des Gemeindegebietes
Am 1.1.1969 entstanden aus 21 selbständigen Gemeinden des altehrwürdigen Amtes Netphen die neue Flächengemeinde Netphen, mit 137 km2 Fläche und knapp 23 000 Einwohnern.  Das entspricht einer Dichte von 166 EW/km2.grenze2.jpgzum Vergrößern
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2.4 Relief und Gewässer

Die Gemeinde Netphen liegt im Nordost-Teil des Siegerländer Blocks, der als tektonisches Hochgebiet eine besondere geologische Einheit im Rheinischen Schiefergebirge darstellt.  Es wird von dem im Nordosten angrenzenden Rothaargebirge durch eine verhältnismäßig steilböschige und stark zertalte Höhenstufe deutlich getrennt.  Die Mittelgebirgslandschaft erhebt sich dort in geschlossener Form über 6oo m NN und bildet die Wasserscheide zwischen Sieg und Eder.
Der Trend der Höhen- Abstufung hat seine Ursache im besonderen morphologischen Charakter des Siegerländer Blocks, der als wannenförmig eingetiefter Landschaftsteil von nur nach Westen offenen Rahmenschwellen umgeben wird.  Schmale Ausläufer der Rahmenschwellen reichen bis in das Siegtal hinein, wobei ihre Höhe stetig abnimmt.  So u.a. von der Alten Burg (633 m) über Scharn (496 m), Ley-Berg (512 m) und Wittig (4991 m) nach Netphen.
Der wasserreichste Fluss im Gemeindegebiet ist die Sieg.  Die sonst zwischen loo-2oo m breite Siegaue erweitert sich westlich von Netphen auf 400 m.
 

2.5 Geologie und Boden

Die verschiedenen Bodentypen im Gemeindegebiet können in 3 Bodeneinheiten zusammengefasst werden:

* Bodeneinheit der Hang- und Hochflächen, (Lehmiger Sand, steinhaltig)
* Bodeneinheit in leichter Hanglage, (Schluffiger, sandiger und toniger Lehm).
* Bodeneinheit der Talflächen,
   (stark wechselnde Bodenarten vom lehmigen Sand bis tonigem Lehm).

Die Bodengüte wird mit mittleren Ertragsmeßzahlen von 27 bis 38 bestimmt.

2.6 Klima

Das Gemeindegebiet gehört zum nordwestdeutschen Klimabereich. Entsprechend der Höhenlage und der morphologischen Gliederung muss das Gemeindegebiet dem Sauerländischen Klimabereich zugerechnet werden. Dieser Raum ist durch meist relativ milde regnerische Winter und nur selten trockene, heiße Sommer bei einer an dem langjährigen Durchschnitt errechneten mittleren Jahrestemperatur von 6-8° charakterisiert. Die mittlere Jahresniederschlagsmenge liegt bei 1150 mm. 


 
3. Die geschichtliche Entwicklung Netphens
3.1 Von der Steinzeit zur Eisenzeit

Anhand von Bodenfunden, die man im Heimatmuseum in Netphen betrachten kann, ist es erwiesen, dass das Netpherland bereits in der Mittleren Steinzeit 8000 - 3000 vor Christi ), wenn auch nur dünn, besiedelt war.
Gleich mehr als l000 Fundstücke (H.G. Vitt, S. 26) konnten in der Nähe von Netphen gefunden werden, die sich in zwei verschiedene Kulturen gliedern ließen. Die ältere dieser beiden Stufen stammt aus den Jahren 5000 - 4000 vor Christi, die jüngere datiert man auf das dritte und zweite vorchristliche Jahrtausend.
Das es sich in allen Fällen um echte Siedlungsfunde handelt, schließt der Forscher Dr. Beck vor allem aus dem Umstand, dass sämtliche Fundlagen genau den von H. Böttger vorhergesagten naturgegebenen Frühsiedlungslagen des Siegerlandes entsprechen, und dass ein großer Teil der Werkzeuge aus heimischen Material gefertigt wurde.
Sowohl die ältere als auch die jüngere Schicht gehören aber ziemlich eindeutig noch einer reinen Wildbeuterkultur an. Es ist möglich, zu mindest nicht auszuschließen, dass sich hieraus eine bis in die Bronzezeit hineinreichende Viehzüchterbevölkerung entwickelte. Bewiesen konnte es bis jetzt nicht.
Süddeutsche Urnenfelderleute (Böttger, Weyer, Lück;  S.16) waren im letzten Abschnitt der Bronzezeit ( ca. 1800 - 750 v. Chr.) auf ihrer Wanderschaft nach Norden bis in das hessische Bergland gelangt. Die durch Vermischung mit der einheimischen Bevölkerung hervorgegangenen Nachkommen waren Angehörige des großen Volkes der Kelten, die in den östlichen Westerwald, das hessische Bergland und in den Dillenburger Raum vordrangen (wichtiger Fundort: die Wallburg bei Rittershausen). Ein naturgegebener Höhenweg führte sie dann weiter über die Haincher Höhe in das obere Johannland.  Damit begann die Dauerbesiedelung des Siegerlandes um 500 v.Chr.. Ernährunersgrundlage waren Viehzucht und Ackerbau, in Nebenberufen waren die Bewohner Hüttenleute.
Durch die schriftliche Überlieferung der Römer, im letzten vorchristlichen Jahrhundert, ist es möglich die Einwanderer ins Siegerland zu benennen, es waren Chatten, die Vorfahren der heutigen Hessen. Sie dürften neben anderem Kulturgut auch die heute noch im Siegerland vorhandenen Bachnamenendungen -pe, -fe, (Dreispe, Netphe, Dielfe) mitgebracht haben. Aus der La-Tène-Zeit (500 - l00 v. Chr.) sind im Netpherland mehrere Stellen von Laténezeitlicher Schmelzöfen entdeckt worden. 


 
Durch die schriftliche Überlieferung der Römer, im letzten vorchristlichen Jahrhundert, ist es möglich die Einwanderer ins Siegerland zu benennen, es waren Chatten, die Vorfahren der heutigen Hessen. 
Sie dürften neben anderem Kulturgut auch die heute noch im Siegerland vorhandenen Bachnamenendungen -pe, -fe, (Dreispe, Netphe, Dielfe) mitgebracht haben. Aus der La-Tène-Zeit (500 - l00 v. Chr.) sind im Netpherland mehrere Stellen von Laténezeitlicher Schmelzöfen entdeckt worden. 
Die laténezeitliche Siegerländer Eisenindustrie, von der etwa 150 Hüttenplätze mit mind. 500 Schmelzöfen bekannt sind, hat auch Vertreter im Netpherland.
In der Flur "Folschert" bei Obersetzen liegt ein Hüttenplatz mit vermutlich 3 Öfen.
S-8.JPG
Rekonstruktion eines Laténezeitlichen Rennfeuers
Man rechnet sie der mittleren La-Téne-Zeit, d.h. dem Abschnitt von 400 - 200 v. Chr. zu (Behagel, Eisenzeit 82). 1953 wurden größere Mengen laténezeitlicher Eisenschlacke, die vielleicht schon in den jüngsten Abschnitt ( 200 - 0 v.Chr.) gehören gefunden. Sie lagen bis dahin unbemerkt auf der Flur "Altes Feld" auf der rechten Seite des Mühlbaches nordwestlich des Burggrabens. Man kann sagen, dass die älteste Industrie dieses Gebietes die Eisenverhüttung ist.
Die Funde zeigen, dass das Netpherland in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten alles andere als menschenleer war. Ein sicherer, geradezu handgreiflicher Beweis für die zu Beginn unserer Zeitrechnung bereits fortgeschrittene Besiedelung unseres Gebietes ist die Ringwallanlage auf der Alten Burg bei Obernau.
Man geht davon aus, das die Orte Netphen, Dreisbach, Deuz, Nauholz und Obernau in der Zeit der Landnahme, der volksmäßigen Siedlung, vermutlich in der ausgehenden Laténezeit, sicher aber früher als 500 n.Chr. entstanden. Da sich in den Namen die Reste keltischen und vorkeltischen Sprache nachweisen lassen (H.G. Vitts,  S.212).
Rund 1000 Jahre, die auf die Spätlaténezeit folgen, die Jahrhunderte bis fast 1100 n. Chr. bilden einen dunklen Abschnitt in der Geschichte des Siegerlandes. Nach Ansicht der Forscher war das Siegerland, das im Grenzbereich rivalisierender Machtgebilde lag, in der Zeit von 200 - 800 n. Chr. dünn, ja fast gar nicht besiedelt.
(Schawacht/ Kellenbenz,  S. 23).

 
4. Erste urkundliche Erwähnungen
4.1 Staatlicher Siedlungsausbau

Die erste urkundliche Erwähnung eines Ortes im Netpherland  - Hainchen -  und einer Person.
Die Urkunde stammt vom 3. April 1215.  Siegerländer Urkundenbuch 1887.
In einer Urkunde vom 9. Juni 1239 wird Keppel und der Ort Netphen mit seiner Kirche zum erstenmal erwähnt.
Der Inhalt der Urkunde wird im Siegener Urkundenbuch so angegeben:

* Graf Heinrich von Nassau eignet dem Kloster Keppel das Patronatsrecht    über die Kirche zu.
Der Verwaltungsmittelpunkt für das südliche Siegerland und Franken befand sich seit dem 8. Jahrhundert im "Königshof" Haiger.  Von diesem Königshof wurden Besiedlungsvorgänge gesteuert. Sie verdanken ihr Entstehen Karolingischer Staatskunst im 8./9. Jahrhundert und viele von ihnen sind offenbar Nachfolger von laténezeitlichen Eisenhütten an gleicher oder eng benachbarter Stelle
 (H.G. Vitt,  S. 236).
Böttger hat im Kirchensprengel Haiger 65 Siedlungen aufgeführt, die auf Dorf enden.  Im Bereich Netphen waren dies Helgersdorf, Salchendorf, Walpersdorf, Nenkersdorf und Brauersdorf.

 
 
4.2 Die erste Erwähnung des Dorfes Netphen

Der Name des Ortes Netphen wird zum ersten mal in einer Urkunde vom 9. Juni 1239 erwähnt.

Netphen 
1230 Cunrad de Netdefe
1139 Nepphen 
Niedernetphen 
1194 Netphe inferius
1439 Nydern Netphe
Obernetphen 
1294 Netphe superius
1461 Obern Netphe
(Siegener Urkundenbuch)

 
5. Das Christentum
5.1 Weltliche und geistliche Grundherrschaften

Die freie wirtschaftliche Entwicklung des Netpherlandes wurde gehindert durch umfangreichen nichtbäuerlichen zusammenhängenden oder verstreut liegenden Grundbesitz. Die Eigentümer, die man Grundherren nennt, waren der Landesherr, der Adel und die Kirchen einschl.  Kloster Keppel.
Die urkundlichen Quellen nennen mehrere Grundherren. Als ältestes Grunherrengeschlecht erscheint in der schriftlichen Überlieferung die Herren vom Hain auf Burg Hainchen. Die erste bezeugte Angehörige dieser Familie ist der in einer lateinischen Urkunde 1215 erwähnte Cunradus de Indagine, d.h. Konrad von Hain.
1313 verkauften die Brüder Friedrich und Gottlieb von Hain dem Grafen Heinrich von Nassau ihre Burg Hainchen.
In den nächsten Jahrzehnten war Graf Heinrich von Nassau wegen Geldschwierigkeiten gezwungen die Burg zu verpfänden. So erhielt 1353 Konrad von Bicken pfundweise ein Drittel der Burg und das Dorf  Nenkersdorf zurück. Dem Junker Philipp von Bicken wurde 1428 die Burg und Dorf Hainchen als widerrufliches Lehn übertragen und 1443 als Dauerlehn 
(Staatsarchiv Koblenz, Siegerland 1918 S. 179).


 
Philipp von Bicken gibt "Rupeln von Netohe und syne rechten lebens irbin (Erben)" u.a. den halben großen zehnten zu "paitschoß" zu rechtem Mannlehen.
Von nun an war Hainchen Hauptsitz der Familie von Bicken, bis sie ihn wegen Schulden 1711 verkaufen mußten.  Das "Mannbuch derer von Bicken" erweist sie als die maßgeblichen Grundherren im Netpherland   (Nebe, Burgfahrten,  S. 79 ff.).

Das Christentum ist, von Hessen kommend, um, vielleicht auch schon vor 800 in das Netpherland eingedrungen. Sein Einzug wurde getragen und gefördert durch den fränkischen Staat, so dass die Entstehung des ersten Siegerländer Kirchensprengels eine unmittelbare Folge der Schaffung der fränkischen Hundertschaften war.
Wahrscheinlich im 13. Jahrhundert wurde die selbständige Pfarrei Hilchenbach eingerichtet. Vor dieser Abtrennung war Netphen die einzige Pfarrei der großen sedes und damit Mutter - oder Urpfarrei. Zu ihr gehörten die Pfarrsprengel Netphen, Irmgarteichen und Hilchenbach. Ihr Bezirk reichte vor der Abtrennung bis an die Nordgrenze des Siegerlandes, nördlich von Hilchenbach. Unterhalb dieses Ortes bildete die Ferndorf die Grenze bis mindestens jenseits Bottenbach.
Als Grundherren nennen die Urkunden die Landesherren (die Grafen von Nassau), den Adel und die Kirchen einschl. des Klosters Keppel. 

 
5.2 Die Einführung des Christentumes; die  Urpfarrei Netphen

Die Einführung des Christentums war eine wesentliche Begleiterscheinung der staatlichen Eingliederung des Siegerlandes in das Frankenreich. Denn seit der Taufe König Chlodwigs 496 war der fränkische Staat christlich geworden und die fränkische Kirche hatte als Staatseinrichtung den Auftrag zur Mission erhalten. Die Sendboten des Christentums fanden also die Unterstützung und den Schutz der fränkischen Beamten. Das Zusammenarbeiten von Staat und Kirche zeigt sich auch in der in jener Zeit häufigen räumlichen Übereinstimmung der unteren staatlichen und kirchlichen Einheiten. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann man deshalb auch den Raum der Hundertschaft Netphen dem Sprengel der ältesten Siegerländer Urpfarrei gleichsetzen und als deren Sitz Netphen annehmen.
Die frühere Annahme, dass das Christentum aus dem Kölner Raum in das Siegerland gekommen sei, gründet sich auf die irrige Vermutung, dass es verhältnismäßig spät von Westen her besiedelt worden sei, und auf die Tatsache, dass seit dem 11.  Jahrhundert rege Beziehungen zwischen dem westlichen und nördlichen Siegerland und Kölner Kirchen urkundlich nachweisbar sind.
Ein Verzeichnis Kirchlicher Abgaben an Mainz gibt eine klare Übersicht über die kirchliche Verfassung. Als Grundstock enthält das Verzeichnis eine Aufstellung, die um 1300 angelegt und im folgenden Jahrhundert ergänzt worden ist. Danach gab es im Siegerland zwei kirchliche Bezirke, Siegen und Netphen, die mit dem lateinischen Wort sedes bezeichnet werden, das man mit Großpfarrei übersetzen kann. Zur Großpfarrei Netphen gehörten die Pfarrsprengel Netphen, Irmgarteichen und Hilchenbach.
Außerdem werden, folgende Orte in dieser sedes genannt: Dreisbach, Setzen, Eckmannshausen, Herzhausen, Afholderbach, Brauersdorf, Obernau, Nenkersdorf, Deuz, Gernsdorf, Rudersdorf, Anzhausen und das ausgegangene Cunzenbach bei Netphen; damit ist nicht gesagt, dass die erwähnten Orte des Netpher Landes damals noch nicht bestanden hätten. 

Aus einer Urkunde von 1239 ergibt sich, dass Graf Heinrich von Nassau, ihr Patron war.
Es ergeben sich für die ältere Kirchengeschichte des Netpherlandes folgende wesentlichen Tatsachen:
* Wahrscheinlich im 13. Jahrhundert wurde die selbständige Pfarrei
     Hilchenbach eingerichtet
* Vor dieser Abtrennung war Netphen die einzige Pfarrei der großen sedes
     und damit Mutter- und Urpfarrei
* Ihr Bezirk reichte vor der Abtrennung bis an die Nordgrenze des
      Siegerlandes, nördlich von Hilchenbach. Unterhalb dieses Ortes bildete
      die Ferndorf die Grenze bis mind. jenseits Bottenbach.
* Das Christentum ist, von Hessen kommend, um, vielleicht auch schon vor
      800 in das Netpherland eingedrungen.
* Sein Einzug wurde getragen und gefördert durch den fränkischen Staat, so
      dass die Entstehung des ersten Siegerländer Kirchensprengels eine
      unmittelbare Folge der Schaffung der fränkischen Hundertschaft war.

Aus der folgenden Betrachtung wird sich in Verbindung mit dem, was im vorigen Abschnitt über die Hundertschaft gesagt worden ist, ergeben, dass Netphen der gegebene Ausgangspunkt für die weitere christliche Missionstätigkeit im Siegerland war, mit anderen Worten: der Platz, auf dem die Netpher Martinikirche steht und der die erste, noch bescheidene, in Holz gebaute Taufkirche getragen hat, war dazu bestimmt, Mittelpunkt der sich entwickelnden Urpfarrei zu werden.
Die älteren Siegerländer Geschichtsschreiber waren geneigt, entweder nur Siegen als Urpfarrei anzusetzen oder aber zwei Urpfarreien, Siegen und Netphen, anzunehmen.
Erst Görich und, ihm folgend, Bald haben sich entschieden für Netphen ausgesprochen, da z.B. verglichen mit Netphen, Siegen ein junger Ort ist.
Die Urpfarrei  Netphen  umfasste  rund  490 qkm (49 000 ha), eine für unsere Vorstellung außerordentliche Größe, aber für frühmittelalterliche Verhältnisse nicht ungewöhnlich.
Im 13. oder zu Anfang des 14. Jahrhunderts wurde die Urpfarrei Netphen weiter verkleinert. Ein selbständiger Kirchensprengel -Hilchenbach- entstand im Norden, ein anderer im Süden, Irmgarteichen. 


 
6. Das Netpherland in der Zeit vom  16. bis 19. Jh.

1568 begann der spanisch - niederländische Krieg, in den auch das Siegerland verwickelt wurde durch den Landesherren Wilhelm 1.,Prinz von Oranien, Graf von Nassau, unterstützt durch seinen Bruder, Graf Johann der Ältere von Nassau - Dillenburg - Siegen. Unmittelbar hat der niederländische Freiheitskampf das Sieger- und Netpherland nicht berührt. Mittelbar aber doch, da

1. Wilhelm von Oranien sein Heer auf der Ginsburg bei Hilchenbach
     sammelte und von dort nach den Niederlanden aufbrach,
2. Johann der Ältere einen erheblichen Teil der Geldmittel für die
    Kriegsführung aufbrachte. Bei seinem Tode 1606 lag auf der Grafschaft
    Nassau eine Schuldenlast von 600000 Gulden.
1618 begann der 30-jährige Krieg. Dank der Fürsorge der Fürsten Johann Moritz und Johann des Jüngeren konnten durch Zahlung von "Contribution" Truppendurchzüge und Einquartierungen in der ersten Hälfte des Krieges vermieden werden. (Die Geldleistungen der Stadt Siegen werden allein auf 120 - 130000 Gulden geschätzt). In der zweiten Hälfte des Krieges werden wiederholt Durchmärsche und Einquartierungen im Netpherland gemeldet. 1634 plünderten Soldaten des Obersten Horst Netphen und Umgebung.
Im Gefolge des Krieges wütete auch in Netphen die Pest von etwa 1630 - 1640.
1743 wurde das Netpherland Bestandteil des oranischen Staates, dessen Herrschaft 63 Jahre dauerte. 

1806 wurde das Netpher- und das Siegerland sowie die oranischen Gebiete Dillenburg und Hadamar dem neugegründeten Großherzogtum Berg mit der Hauptstadt Düsseldorf zugeteilt und eine Verwaltung nach französischen Muster eingerichtet. Das Department (Provinz) Sieg mit derem Regierungssitz Dillenburg gliederte sich in die zwei Arrondissements (Regierungsbezierke) Dillenburg und Siegen. Zu letzterem gehören die Kantone (Kreise) Siegen und Netphen; letzterer zerfiel in Marien (Landbürgermeistereien) Hilchenbach, Ferndorf, Netphen und Irmgarteichen.
Schneller als mancher gedacht hatte kam das Ende der Fremdherrschaft. Zwei Wochen nach der Völkerschlacht bei Leipzig (16.- 19.10.1813) erschienen als erste Freiheitsboten, Kosaken, im Siegerland. Das Großherzogtum Berg wurde aufgelöst, der Prinz von Oranien nahm wieder Besitz von seinen Stammlanden und trat dem Bund gegen Napoleon bei.
Inzwischen hatten die Diplomaten auf dem Wiener Kongress die Neuordnungen Europas begonnen. Der Prinz von Oranien Wilhelm der V., wurde König der vereinigten Niederlande und verzichtete auf seine deutschen Stammlande, die Preußen und dem südlich der Lahn gelegenen Herzogtum Nassau zugesprochen wurden. Die Verhandlungen beider Länder über eine gerechte Verteilung stießen jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten. Zwar ergriff Preußen am 29. Juli 1815 in feierlicher Form Besitz vom Fürstentum Nassau - Siegen, doch bezog sich die Regierungsübernahme nicht auf das ganze Land. 


Außer Teilen des Amtes Wilnsdorf waren folgende Orte des Netpherlandes an Nassau gefallen:
Irmgarteichen, Hainchen, Werthenbach, Lahnhof, Walpersdorf, Nenkersdorf, Grissenbach, Deuz, Beienbach, Brauersdorf, Obernau, Nauholz, Salchendorf, Helgersdorf, Gernsdorf, Rudersdorf, Anzhausen, Flammersbach und Feuersbach.
"Karte von dem Amt Netphen"
von Geometer Weiß
In den weiteren Verhandlungen, die bis zum Herbst 1816 dauerten, setzte sich schließlich die Auffassung Preußens durch, dass man ein einheitliches Gebiet wie das Netpherland nicht in dieser Weise auseinanderreißen könne. So gelangte man zur Festlegung der Grenze des Amtes Netphen, die auch die alte gewesen war. Am 26. Oktober 1816 erfolgte die Übernahme des wieder geeinten Netpherlandes durch Preußen.

7. Die Kirchen in Netphen
7.1 Die Peterskapelle in Niedernetphen

1951 untersuchte Dr. Hermann Böttger die Ruine der Peterskapelle. Die ältesten Teile der Ruine sind mit Sicherbeit romanisch. Als Entstehungszeit ist deshalb das 11. - 12. Jahrhundert anzusetzen. Die Entstehung der Peterskapelle fällt in die Herrschaftszeit des Landadels. Der Standort der Kapelle inmitten des breiten, sumpfigen, stets hochwassergefährdeten Tales schließt deren Zweckbestimmung als Gemeinde- oder Wallfahrtskirche zur Zeit der Erbauung aus.
Die Vermutung, dass die Peterskapelle die Hauskapelle des Netphener Adelssitzes war, der als Wasserburg auf dem heutigen Petersplatz gestanden haben kann, ist nicht neu. Sie wird bestätigt durch die Möglichkeit der Übereinstimmung von Entstehungszeit und Bauherr. 

Wie lange das Gebäude noch gestanden hat, ist unbekannt. Nach 1344 tritt es urkundlich nicht mehr in Erscheinung. 
Die seit Mitte des 13. Jahrhunderts bestehende Funktion der Peterskapelle als Raum für Gottesdienste der Ortsgemeinde Niedernetphen regte andere Orte im Netpherland an, auch Kapellen zu errichten. 
Im urkundlichen Material erscheint die Peterskapelle erst wieder 1704 als Ruine.

Perterskapelle in Niedernetphen 
Bei der Wiederherstellung des Gotteshauses wurden die noch vorhandenen Mauerteile belassen und das fehlende Mauerwerk ergänzt.

An die Kapelle wurde um 1800 ein Anbau angefügt, der bis 1880 als Schule genutzt wurde. Danach diente sie bis zu ihrer Vernichtung im April 1945 als Wohngebäude.

7.2 Die Ev. Martinikirche

Die Ev. Kirche ist eine dreischiffige, dreijochige Hallenkirche mit rundbogigen Fenstern und Portalen, spätromanisch, neben der Nikolaikirche das bedeutendste romanische Bauwerk im Siegerland. Die Formen des Langhauses gleichen denen der Kirchen in Ferndorf und Krombach. Offenbar sind diese nach dem Vorbild von Netphen gebaut.
1239 wird die Kirche zum erstenmal erwähnt.

Sie stand katholischen wie evangelischen Christen gemeinsam zur Verfügung. Alle Kirchen des Kirchenspiels Netphen waren Simultankirchen. 

Martinikirche in Obernetphen
Die Ev. Kirche ist eine dreischiffige, dreijochige Hallenkirche mit rundbogigen Fenstern und Portalen, spätromanisch, neben der Nikolaikirche das bedeutendste romanische Bauwerk im Siegerland. 

Die Formen des Langhauses gleichen denen der Kirchen in Ferndorf und Krombach. Offenbar sind diese nach dem Vorbild von Netphen gebaut. 
1239 wird die Kirche zum erstenmal erwähnt. 

Sie stand katholischen wie evangelischen Christen gemeinsam zur Verfügung. Alle Kirchen des Kirchenspiels Netphen waren Simultankirchen.

 
 
7.3 Die kath. Kirche, St. Peter- und Paul 
Am 15.10.1882 tritt der Kirchenvorstand an das Presbyterium mit der Bitte heran, das Simultaneum aufzulösen. Diese Bitte wurde abgelehnt. 
1884 stand der erste Entwurf für eine neue Kirche ohne Turm. 

1889 sah der Plan eine größere Kirche mit einem Turm vor. Die Steine für 
die Kirche wurden bereits gebrochen, aber der Bau der Kirche, der an die Auflösung des Simultaneums gebunden war, kam nicht zustande. 

Entwurf aus dem Jahre 1884
1893 wurde ein dritter Entwurf angefertigt.
Zwei Türme sollte nun der Neubau erhalten. 
Am Peter- und Paulus- Tag 1893 wurde der Grundstein gelegt. 
Am Martinstag 1895 wurde erstmals der Gottesdienst in der eigenen Kirche gehalten. 
Das Simultaneum wurde erst einige Jahre später aufgelöst 
(Pfarrbericht 1966, Pfarrei St. Martini Netphen). 
Entwurf aus dem Jahre
1889                               1893

Ende Teil 1

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